Martin Ruck
Leitung Geschäftsbereich Stadtentwicklung, Umwelt und Bauen
Am Markt 12, 66386 St. Ingbert
Bildquelle: Krüger Architekten
Das Schweizer Unternehmen Max Schuler & Co GmbH gründete 1885 in St. Ingbert eine Baumwollspinnerei. Das Fabrikgebäude, ein dreigeschossiger Sandsteinbau, wurde bis 1938 nach Osten in mehreren Schritten erweitert. Die in Sandstein ausgeführte Südfassade zur Wollbachstraße bildet zusammen mit dem Schornstein und dem westlich danebenstehenden Lagergebäude ein städtebaulich markantes Ensemble. Nachdem die Garnproduktion 1964 eingestellt worden war, nutzte die Bundeswehr den Bau bis 1999 als Depot und Lagerort für Material eines Lazarettzugs. Danach gelangte das Gebäude in Privatbesitz, das letzte Zeugnis der Textilproduktion sollte umgebaut werden als Museum, Galerie und Kulturzentrum. Das Vorhaben gestaltete sich schwierig und konnte nicht fortgesetzt werden.
Daraufhin hat die Stadt im September 2021 das gesamte Gelände mit Spinnerei, Trafohaus und Baumwolllager erworben. Mit viel Feingefühl wurde ein neues Nutzungskonzept entwickelt und visualisiert. Die alte Stockwerksfabrik soll als moderne Stadtverwaltung und Albert Weisgerber Museum nachhaltig und zukunftsfähig genutzt werden.
Die unmittelbar angrenzende ehem. JVA, die derzeit zur Musikschule umgebaut wird, zusammen mit dem Potenzial der Alten Baumwollspinnerei, wird zum zentralen Zukunftsbaustein für die sich stetig wandelnde Stadt. Wichtige Spuren der Vergangenheit können so sichtbar erhalten bleiben für die Zukunft und werden als Verwaltungsgebäude und Museum in das öffentliche Leben integriert.“
Im Rahmen der Neunutzung entsteht ein neues Stadtquartier, das die Innenstadt baulich und anschaulich aufwerten wird.
Bauzeit ca. 2 Jahre
Inbetriebnahme und Möblierung ca. 3 Monate
Geplanter Einzug ins Gebäude 2027/2028
Es wurden 5 Optionen ausgiebig und aufwendig geprüft. Die Baumwollspinnerei mit Vernunft ist die wirtschaftlichste und zukunftsfähigste Lösung.
Fazit: Die Umnutzung der Alten Baumwollspinnerei für die Verwaltung stellt eine intelligente und nachhaltige Revitalisierung des denkmalgeschützten Gebäudes dar.
Das Museum im Gebäudeinnern ermöglicht einen zukunftsfähigen und niedrigschwelligen Zugang zum Albert-Weisgerber-Museum und dem städtischen Kunstbesitz. Die Kultur befindet sich in der Mitte des täglichen Lebens. Synergien beim Betreiben von Museum und Verwaltung werden genutzt.
Die Zusammenfassung von bisher verstreut angeordneten Organisationseinheiten am Standort Baumwollspinnerei lässt eine Steigerung der Effizienz der Stadtverwaltung erwarten.
Ebenso ergibt sich durch die Standortkonzentration und die Verringerung der Gesamtfläche um 30% eine signifikante Senkung der Betriebskosten (Hausmeister, Energiekosten, Zugangskontrolle etc). Es besteht ein deutlicher Kostenvorteil bei Herrichtung der Alten Baumwollspinnerei gegenüber einer Sanierung des Rathauses und der Außenstellen.
Sanierungsnotwendigkeit macht Kernsanierung erforderlich
Da im Rathaus asbest- und schadstoffhaltige Materialien (bspw. Dämmmaterial, Verkleidungen von Installationen verbaut sind, muss bei der Entfernung ein großzügiger Absperrbereich eingerichtet werden. Die Haus- und Lüftungstechnik kann nicht etagenweise abgeschaltet bzw. unterbrochen werden. Hinzu kommt eine starke Schallübertragung durch die Bauweise. Wird im 4. Stock gebohrt, platzt dem Mitarbeiter im 1. Stock der Kopf. Erfahrungen hierzu liegen vor, als in den Jahren 2021/22 einige Lecks in den vier Hauptsträngen der Wasserversorgung repariert wurden. Alle Leitungen (Wasser, Strom und Heizung) stammen aus Anfang der 70er Jahre. Wie in vielen öffentlichen Gebäuden liegt hier ein Sanierungsstau vor. Auf der Zeitachse ist eine Kernsanierung erforderlich-.
Muss die Verwaltung ausziehen, müssten Büroflächen für ca. 150 Mitarbeiter angemietet werden. Es müssten zwei Umzüge stattfinden. Stand heute gibt es keine geeignete Immobilie in St. Ingbert. Eine zeitweise Verlagerung der Büros bspw. nach Saarbrücken ist für die St. Ingberter Bürger nicht zumutbar.
6 Außenstellen werden aufgelöst.
Alle Abteilungen ziehen in die Baumwollspinnerei, außer Bürgerservicecenter mit Standesamt (Ausweise, Personenstandswesen, Zulassungen, Beurkundungen etc.) und Stadtarchiv. Diese bleiben im bisherigen Rathaus, da die Erreichbarkeit mit dem ÖPNV und Parkmöglichkeiten für eine kontinuierlich hohe Anzahl von Bürgerterminen sich hier bewährt haben.
Die Außenstellen kommen mit 81 Mitarbeitern in den gemeinsamen Verwaltungsstandort
Bürgerservice und Archiv bleiben am Markt
Bürgerservicecenter mit Standesamt (Ausweise, Personenstandswesen, Zulassungen, Beurkundungen etc.) und Stadtarchiv. Diese bleiben im bisherigen Rathaus, da die Erreichbarkeit und Parkmöglichkeiten für eine kontinuierlich hohe Anzahl von Bürgerterminen sich hier bewährt haben.
frühzeitige Ideenfindung zur Nachnutzung
Schon ab dem Jahr 2026 werden Interessenten für eine Nachnutzung gesucht. Ideenwettbewerbe zur städtebaulichen Entwicklung sind geplant. Über die Art der Nachnutzung wird dann final der Stadtrat entscheiden. Die Einnahmen fließen in den städtischen Haushalt und bringen somit Einnahmen, die zur Finanzierung des Projektes Baumwollspinnerei mit Vernunft genutzt werden können.
Förderung ist an kulturelle Teilnutzung gebunden
Die in den Vorjahren genehmigten und ausbezahlten Fördermittel waren an den Zweck gebunden, das ehemalig durch die Bundeswehr genutzte Gelände einer kulturellen oder touristischen Nutzung zu zuführen. Eine ausschließlich kulturelle Nutzung hätte für die Stadt jährlich mehrere Millionen an Betriebskosten bedeutet; da in der alten Planung nur wenige Mieter (Tanzschule, Gastronomie etc.) vorgesehen waren, die Mieteinnahmen gebracht hätten. Da auch Museum, Musikschule, VHS und Schulen hier Räume nutzen sollten, wäre es von vorneherein nicht kostendeckend zu führen gewesen (schwarze Null), da es sich hier teilweise um freiwillige Leistungen der Stadt handelt, die aus dem städtischen Haushalt bezuschusst werden.
Bei einer Vermietung als Bürogebäude für private Firmen wären die Mieteinnahmen auf die Fördermittel angerechnet worden, bis sie inkl. Zinsen zurückbezahlt worden wären. Ein Großteil der Betriebskosten würden ebenfalls bei der Stadtverwaltung bleiben.
Hinzu kommt, dass zum Zeitpunkt der Verhandlungen, welche Nutzung in der Baumwollspinnerei denkbar wäre 2021, die Entwicklungen bei CISPA noch nicht abzusehen waren. Weiterhin stellte sich 2021 die Frage, wie man eine Lösung für das sanierungsbedürftige Rathaus finden kann.
Erfahrene Planungsbüros und Architekten führen das Projekt durch
Das Projekt „Baumwollspinnerei mit Vernunft“ wurde mit dem Projektsteuerer Tribast/Homburg 2022 begonnen. Hinzu kamen Das Architekturbüro Krüger/Saarbrücken und als Planung zur Technische Gesamtausstattung (TGA) das Büro WPI/Illingen. Von Bauherrenseite sind im Planungsteam die Architekten Margret Welsch (Konzeption und Kommunikation), Peter Raven (baufachliche Projektleitung) und Martin Ruck (Geschäftsbereichsleiter Stadtentwicklung, Umwelt und Bauen)
Gelder sind im Haushalt der Stadt eingeplant – Dieser wird von der Kommunalaufsicht geprüft und genehmigt.
Das Planungsbüro Tribast hat einen detaillierten Projektplan (was passiert wann) erstellt, der auch einen Kostenplan (was kostet welche Maßnahme) und eine Mittelabflussplan (wann fallen welche Kosten an) enthält. Die Kostenschätzung ergibt eine Summe von 46 Mio. €. Der Stadtrat hat beschlossen, dass ein Sicherheitspuffer in den Haushalt eingeplant wird, so dass 54 Mio € eingeplant werden.
Für die Jahre 2023/24 waren bereits Mittel im Haushaltsplan eingestellt, dazu verabschiedete der Stadtrat das Einstellen sogenannter Verpflichtungsermächtigungen (VE). Mit einer VE berechtigt der Stadtrat die Stadtverwaltung im Rahmen eines Haushaltsplans finanzielle Verpflichtungen über ein Haushaltsjahr hinaus einzugehen, z. B. bei öffentlichen Bauvorhaben.
Die Haushaltsplanung 2025/26 und die Finanzplanung 2027/29 ist in Erstellung und wird vom Stadtrat im Dezember 2024 verabschiedet und danach veröffentlicht. Auch hier werden Mittel eingestellt und Verpflichtungsermächtigungen eingeplant.
Wie bei jedem privaten Hausbau auch, wird ein Teil der Kosten über Investitionskredite finanziert. Die Tilgung, die dann zur Abzahlung der Kredite aufgebracht werden muss, muss in den kommenden Haushaltsjahren miteingeplant werden.
Der Haushalt der Stadt ist genehmigungspflichtig und wird von der Kommunalaufsicht des Landesverwaltungsamtes geprüft. Auch der Rechnungshof hat ein besonderes Auge auf dieses Projekt aufgrund seiner Historie.
Die Finanzierung erfolgt durch einen Mix:
Der Umfang von b), c) und d) ist abhängig von der Entwicklung der Konjunktur, der Märkte, des Zinsniveaus und der Kreisumlage.
Das Projekt wurde von Anfang an von Land und Bund gefördert
Das Projekt wurde von Anfang an als Teil eines Städtebauförderprogramms gefördert. Gelder sind bereits geflossen.
Das Ministerium für Wirtschaft sowie das Ministerium für Inneres, Bauen und Sport (Fördergeber) werden das Bauvorhaben weiterhin mit Fördermitteln des Landes unterstützen. Fortlaufend werden neue Förderprogramme des Landes und des Bundes geprüft, ob weitere Mittel beantragt werden können. Die Förderstelle der Stadt und das Projektteam stehen in enger Abstimmung mit dem Fördergeber.
Nein – alleine durch die Flächenreduzierung von 30% wird es günstiger.
Dadurch, dass sich die Nutzfläche der Bestandsgebäude um 30% verringert, kann man schon den logischen Schluss ziehen: weniger Fläche = weniger Heizkosten.
Die Baumwollspinnerei wird an das Fernwärmenetz der Stadt angeschlossen, hinzu kommt eine Photovoltaikanlage auf dem Dach. Die Planungen prüft ein Bauphysiker, der berechnet, wie sich das Gebäude bei Kälte bzw. Hitze verhält und welcher Energieaufwand hier für ein angemessenes Raumklima notwendig ist. Da es ein dicker Backsteinbau (Wandstärke ca. 1,30 Meter) ist, ist er träge in der klimatischen Anpassung, d.h. ist er aufgewärmt, braucht es lange bis er auskühlt. Damit er im Sommer sich nicht so schnell aufheizt, ist an jedem Fenster ein Blend- bzw. Sonnenschutz, der individuell bedient werden kann. Deckensegel, die heizen und kühlen, dienen auch zum Schallschutz.
Es gilt zu beachten, dass die Raumhöhe im Rathaus am Markt sowohl im Kuppelsaal, im Foyer als auch im Großen Sitzungssaal deutlich höher ist, als in der Baumwollspinnerei.
Weshalb sind die Kosten für Renovierung der Bestandflächen höher als die Baumwollspinnerei mit Vernunft?
Zu den bereits genannten Gründen kommt dazu, dass auch bei den oben genannten Außenstellen dringende Sanierungen anstehen. Die durchschnittlichen Kosten der Sanierung (es gibt Bauindexzahlen, die zur Berechnung im Verhältnis zu den Quadratmetern herangezogen werden) wurden sowohl für das Rathaus, als auch für die Außenstellen, die dann freigespielt werden, berechnet. So ergibt sich eine Gesamtsumme von 65 Mio €. Die Berechnung wurde von erfahrenen Bauexperten erstellt und dem Stadtrat nach Kostengruppen zusammengefasst zur Verfügung gestellt.
Durch die Weiternutzung der Baumwollspinnerei wird eine sehr hohe Menge an sogenannter “grauer Energie“ eingespart, die in der massiven Bausubstanz gespeichert bzw. gebündelt ist (ca. 15.000 Tonnen Mauerwerk / Beton; ca. 220 TonnenStahlguss).
Zusammen mit dem anfallenden Energieaufwand für Rückbau und ggf. Ersatzneubau wird die etwas geringere Energieeffizienz im Vergleich zu einem Neubau übertroffen.
Die Beheizung des Gebäudes erfolgt durch einen Nahwärmeanschluss. Die Wärmeenergie liefert das Biomasseheizkraftwerk auf dem Drahtwerk-Nord-Areal (DNA). Zudem wird auf der Dachfläche eine Photovoltaik-Anlage errichtet.
St. Ingbert beweist mit der Revitalisierung im Vergleich zu anderen Kommunen einen angemessenen und vorbildlichen Umgang mit einem denkmalgeschützten Gebäude.
Rund um das Gebäude wird es Parkmöglichkeiten geben. 65 neue Parkplätze entstehen auf dem Gelände der Baumwollspinnerei. Das Parken in der Wollbachstraße ist weiterhin möglich. Darüber hinaus stehen fußläufig erreichbar ca. 500 Parkplätze in der Umgebung zur Verfügung. In der gesamten Innenstadt kann kostenlos geparkt werden. Sowohl Bahnhof als auch Busbahnhof sind innerhalb weniger Minuten erreichbar.
Leitung Geschäftsbereich Stadtentwicklung, Umwelt und Bauen
Am Markt 12, 66386 St. Ingbert
Stadtentwicklung, Umwelt und Bauen